Gott nimmt das Verlorene an

Lukas 15.1-10

01/07/2017

 

Ich lesen nun den für heute vorgeschlagenen Predigttext – ein Abschnitt aus dem Lukas-Evangelium, aus dem 15. Kapitel, die Verse 1 - 10.

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Liebe Hörerin, lieber Hörer,  wahrscheinlich kennen Sie das:


„Wo ist denn jetzt schon wieder der Autoschlüssel? Scha-atz, hast du den Autoschlüssel gesehen?“ Oder, wenn wir alleine sind: „Verflixt, wo hab ich den Schlüssel bloß wieder hingelegt? Gestern abend war er doch noch da. Und jetzt ich muss gleich los.“

Und dann geht die Sucherei los. In Taschen, Schränken, Kommoden, Schubladen, zwischen Büchern oder anderen Dingen. An den unmöglichsten Stellen wird gesucht – und mit jedem Augenblick ohne Erfolg steigt die Anspannung, auch der Blutdruck, die Nerven liegen blankt, die Konzentration aber schwindet. Das Suchen wir immer zielloser, immer hektischer, immer verzweifelter. Bis, ja bis … entweder der Schlüssel gefunden, oder die Suche aufgegeben wird, zumindest für einen Moment.

Es kann auch der Geldbeutel sein, den wir suchen, oder ein wichtiges Dokument, die Brieftasche, eine Rechnung, die bezahlt werden muss, ein geerbtes Schmuckstück oder, oder, oder …

So weit, so schlecht. Etwas nicht finden, ist einfach schlecht. Und ich wünsche niemandem, dass sie oder er das Suchen und nicht Finden bis ins Extreme durchleben muss. Denn das ist Stress pur und schadet der Gesundheit.

Da ist es wirklich viel, viel schöner, zu finden, was ich gesucht habe. Welche Erleichterung, welch ein Durchatmen, Aufatmen, zur Ruhe kommen. „Da ist er ja – der Schlüssel, der Geldbeutel, die Brieftasche, das Dokument, die Rechnung, oder was auch immer.

„Und wenn sie das Geldstück wieder gefunden hat, dann ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarn zusammen und sagt: Freut euch mit mir, ich habe meine Drachme wiedergefunden, die ich verloren hatte.“ sagt Jesus im Gleichnis.

Ja, wenn etwas Verlorenes wieder gefunden ist, dann ist die Freude groß. Und diese Freude will geteilt, mitgeteilt werden. Familienmitglieder, Freunde, Nachbarn – wer auch immer von der Suche wusste, soll jetzt auch an der Freude teilhaben. Das ist gut und richtig so.

Wenn es sich bei der Ssuche um Gegenstände gehandelt hat, auch wenn es Wertgegenstände sind, dann ist alles – trotz des ganzen Stresses und der Aufregung – nicht nur wieder gut, sondern auch relativ einfach. Es war ja nur – der Schlüssel, die Brieftasche, das Dokument, die Rechnung.

Was aber, wenn es um Menschen geht, die wir verloren haben, die verschwunden sind, dann ist alles viel, viel schlimmer. Ich denke dabei jetzt nicht an den Verlust durch Tod, auch nicht an Krankheit, sondern daran, wenn wir einen Menschen in dem Sinn verlieren, dass kein Kontakt mehr da ist, dass man sich nicht mehr versteht, nicht mehr miteinander redet, sich aus dem Weg geht.

Da ist die Aufregung, der Stress, die Angst, die Verzweiflung viel, viel tiefer und schlimmer. Denn es scheint nun wirklich alles verloren, alles ohne Sinn und Ziel. Wie soll das wieder gut werden?

Solche Verluste kommen öfter vor, als vielleicht bewusst und lieb ist. Und solches Verlieren und Suchen ereignet sich über einen manchmal endlos erscheinenden Zeitraum. Das geschieht nicht von gestern auf heute, nicht von eben auf jetzt. Das ist ein Prozess. Aber der ist nicht weniger stressig, nicht weniger aufreibend, nicht weniger Angst einflößend wie die Suche nach irgendeinem Gegenstand.

Aber wie kommt es zu solchem Verlieren, zu solchem Suchen? Nicht selten sind es Kleinigkeiten, die wir anfangs übersehen oder nicht wirklich ernst genommen haben. Aber dann hat sich ein Mensch auf einmal in eine Richtung entwickelt, die mir nicht gefällt, die ich nicht für richtig, vielleicht sogar für gefährlich halte. Ja und dann? Was mache ich dann? Wo und wie suche ich Menschen, die ich verloren habe? Was können wir tun, um sie – im realen oder übertragenen Sinn – wieder zu finden?

Die Antwort ist nicht einfach und auch nicht einheitlich, denn diese Suche nach Menschen betrifft noch viel tiefere Schichten unseres Seins, als die Suche nach Gegenständen. Was tun, um den Kontakt wieder herzustellen? Was tun, um zu vereinen, was jetzt getrennt ist?

Oft genug sind wir bei dieser Suche noch viel kopfloser, als sonst, denken, handeln in die verkehrte Richtung. Nicht selten igeln wir uns ein, grenzen uns ab, versuchen unsere Position immer klarer aus- und aufzubauen. Oft ohne es zu wollen, enstehen so Mauern – unsichtbare zwar, aber nicht weniger trennende. „Das ist nicht mein Weg.“ „Dein Weg ist falsch. Du musst umdenken und umkehren.“

Ja, das erwarten wir, dass jemand umkehrt. Und der biblische Text scheint uns Recht zu geben: „Im Himmel wird Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt.“ Aber wer ist es denn wirklich, der in der Geschichte, die Lukas erzählt, umkehrt? Der Mensch, der sich entfernt hat, oder derjenige, der zugelassen hat, dass der Abstand immer größer wurde?

Der Anfang unseres heutigen Bibeltextes kann uns helfen, Antworten zu finden, denn da steht ganz klar und deutlich: „Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören.“ Die Rede ist von Jesus, dem sie zuhören wollen, klar, und es macht ja auch Sinn, sich an den zu wenden, der so liebevoll von

Gott redet. Aber nicht allen ist das recht. Es gibt Menschen, die das ganz und gar nicht lustig und überhaupt nicht richtig finden, und sie „empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen.“

„Steuereintreiber und anderes Gesindel.“ Die beleidigenden und abwertenden Ausdrücke und Auffassungen über bestimmte Berufsgruppen und Menschen waren immer schon mehr als deftig. „Wer gibt sich schon mit denen ab, die haben doch keine Ehre und keine Moral. Die denken doch nur an den eigenen Geldbeutel. Die beuten rechtschaffene Menschen aus und dann kommt Jesus, setzt sich zu ihnen und isst auch nicht mit ihnen. Das ist wirklich zuviel.“
Verlorene Menschen!? Das sind nicht nur Freunde, die wir „aus den Augen verloren“ haben. Das sind nicht nur die, die andere Lebensauffassungen und Einstellungen haben. Sogenannte Verlorene sind nicht nur die, die ihr Leben anders gestalten. Verlorene Menschen, das sind Sträflinge, Bettler, Obdachlose, Homosexuelle, oder wer auch immer gerade nicht in unser Weltbild passt.
„Die sollen doch bitte umkehren, dann kann man sich wieder unterhalten und weitersehen.“ Nicht selten ist das die Meinung über Menschen, die anders sind.
Aber vergessen wir nicht: Jesus hat sich mit denen an einen Tisch gesetzt, hat mit ihnen geredet, ihre Fragen beantwortet, ja er hat mit ihnen sogar gegessen – nicht selten ein Festmahl. Aber niemals hat er von irgendeinem Menschen verlangt, sich vorher zu ändern. Veränderung, Umkehr hat danach stattgefunden, als Ergebnis, nicht als Voraussetzung. Und nicht wenige sind so geblieben, wie sie waren.

Wiederfinden, was verloren war. Nicht selten haben wir dabei die Vorstellung, dass die, der oder das andere zu mir zurückkommen muss. Autos werden heute über GPS gefunden und zurückgegeben. Für Schlüssel und andere Gegenstände gibt es auch schon elektronische Finde-Hilfen. Und für Menschen? Wir würden uns so sehr wünschen, dass sie zu uns, zu mir zurückkehren – ohne das ich etwas von mir aufgeben oder ändern muss.
Aber das ist nicht die Welt Gottes. Die Welt und Idee Gottes ist, dass in seinem – um es einmal so auszudrücken – Herrschaftsgebiet, dass in seinem Reich, in seiner Nähe Platz ist für alle – ohne vorherige Bedingungen.

„Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen.“ Das war ein Skandal für viele Menschen zur Zeit von Jesus. Heute ist es leider oft nicht anders. Nur die Bezeichnungen haben sich verändert, nicht die Anschauungen und Verhaltensweisen. Leider.

Ich werde jetzt einen Vergleich anstellen, der im Zusammenhang unseres Bibeltextes nicht ungefährlich ist, weil er leicht mißverstanden werden kann. Die eine oder der andere wird ihn möglicherweise für unangemessen halten, aber für mich hat es ganz viel mit Verlieren, Suchen und Finden zu tun.
Wie Sie vielleicht mitbekommen haben, hat am Freitag der deutsche Bundestag, das Parlament, das Gesetz zur „Ehe für alle“ beschlossen. Nach einem langen, schwierigen und konfliktreichen Prozess kamen die Abgeordneten zu dem Schluss, dass es endlich an der Zeit ist, die im Grundgesetz vorgeschriebene Gleichheit aller Menschen in einem weiteren Punkt in die Praxis umzusetzen.

Dass Homosexuelle, schwule und lesbische Menschen jetzt heiraten, also eine vollgültige Ehe schließen können, war und ist umstritten – auch hier in Brasilien, selbst wenn hier die entsprechende Gesetzgebung schon vor ein paar Jahren geändert wurde.
Aber die „Ehe für alle“ ist nichts anderes als das, was Jesus getan hat: Die Welt und das Leben für alle zu öffnen. Die Liebe Gottes ist nicht parteiisch, sie ist nicht ausschließend, sie ist einladend und öffnend. Die Liebe Gottes macht Türen auf und nicht zu! Die Liebe Gottes reißt Mauern ein, sie baut keine neuen.

Im Zusammenhang der sehr ernsthaft geführten Debatte im Deutschen Bundestag ist die Rede von Jan-Marco Luczak, Mitglied der konservativen Christlich Demokratischen Union, CDU, aufgefallen und vielfach, auch in sozialen Netzwerken, verbreitet worden. Ich zitiere einen kurzen Abschnitt.
Für mich ist die Ehe der wunderbare Liebesbeweis zweier Menschen, die in guten wie in schlechten Zeiten füreinander einstehen wollen. Bis dass der Tod sie scheidet. Zwei Menschen sind bereit, Verantwortung füreinander zu tragen. Es geht um Treue, es geht um Beständigkeit, es geht um Verlässlichkeit. All dieses sind zutiefst konservative Werte, die Anerkennung und Respekt verdienen. Und ich kann nicht erkennen, wieso das Geschlecht hierbei einen Unterschied machen sollte. Und deswegen - gerade weil ich Christdemokrat bin - bin ich für die Öffnung der Ehe, weil es um bürgerliche, konservative Werte geht.

Er hätte problemlos auch das Wort „christliche“ mit aufnehmen können. Denn Wege zum Miteinander zeigen, das ist christlich. Werte wie Verantwortung tragen, verlässlich sein, gemeinsam leben, sind christliche Werte und das Geschlecht eines Menschen spielt dabei wirklich keine Rolle.

Jesus hat etliche Gleichnisse über Verlieren und Finden erzählt, nicht nur die beiden, die ich heute gelesen habe. Und immer ging es dabei um die Problematik und Aufgabe, andere nicht auszuschließen, sondern einzubeziehen. Wie gut, dass so etwas auch durch Gesetze eines demokratischen Staates umgesetzt werden kann.

Denn es ist im Himmel mehr Freude über einen wieder in die Gesellschaft eingegliederten Menschen, als über 99 die meinen, sie bräuchten sich nicht ändern.

Ungezählte Familien, Eltern, Kinder, Geschwister, Großeltern, Onkel und Tanten haben jetzt auch vom bürgerlichen Gesetz her die Möglichkeit, Versöhnung zu leben. Sie können sich wieder finden und unter dem gleichen Dach „EHE“ und Familie leben. Im Gesetzestext heißt es dazu schlicht und einfach: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“
Haben Sie schon einmal überlegt, wie viele Menschen davon direkt betroffen sind?

Gott und wir mit ihm wollen und sollen sie finden und zurückbringen in ein friedliches Miteinander. Dazu helfe uns der heiligende Geist unseres dreieinigen Gottes.
Amen.
 


Autor(a): Gert Müller
Âmbito: IECLB / Sinodo: Sudeste / Paróquia: Belo Horizonte (MG)
Área: Confessionalidade / Nível: Confessionalidade - Prédicas e Meditações
Testamento: Novo / Livro: Lucas / Capitulo: 15 / Versículo Inicial: 1 / Versículo Final: 10
Natureza do Texto: Pregação/meditação
Perfil do Texto: Prédica
ID: 42878
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